Keine doppelte Entschädigung bei Flugverspätungen

BGH: Keine doppelte Entschädigung bei Flugverspätungen

 BGH, Urteil vom 06.08.2019 - X ZR 128/18; X ZR 165/18

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung auf reise- und beförderungsvertragliche Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht anzurechnen sind.

(Az.: X ZR 128/18 und X ZR 165/18).

Die Kläger buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Urlaubsreise, die Flüge von Frankfurt am Main nach Las Vegas und zurück sowie verschiedene Hotelaufenthalte umfasste. Wegen einer Flugverweigerung flogen sie aber erst am folgenden Tag über Vancouver nach Las Vegas, wo sie mehr als 30 Stunden später als geplant eintrafen. Sie verlangen von der Beklagten die Erstattung der für die beiden ersten Tage der Urlaubsreise angefallenen Kosten des Mietwagens und des gebuchten Hotelzimmers sowie der Kosten für eine wegen der geänderten Reiseplanung erforderlich gewordene Übernachtung in einem anderen Hotel.

Gebuchtes Hotel konnte wegen Flugverspätung nicht genutzt werden

Der Kläger des zweiten Verfahrens und seine beiden Mitreisenden buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 15.09.2016 einen Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek, wo sie eine Rundreise durch Namibia antreten wollten. Der Abflug verzögerte sich, so dass die Fluggäste ihr Reiseziel einen Tag später als vorgesehen erreichten. Der Kläger macht geltend, er und seine Mitreisenden hätten die für die erste Nacht gebuchte Unterkunft in einer Lodge wegen der verspäteten Ankunft nicht mehr erreichen können und stattdessen in einem Hotel in Windhoek übernachten müssen. Er verlangt von dem beklagten Luftverkehrsunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Mitreisenden Erstattung der Kosten für die nicht in Anspruch genommene, aber nach seinem Vortrag in Rechnung gestellte Unterkunft in der Lodge sowie der Kosten für die Übernachtung in Windhoek.

Doppelte Ausgleichszahlung nach EU-Recht und nationalem Recht?

Wegen der Beförderungsverweigerung bzw. der Flugverspätung leisteten die verpflichteten Airlines Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c Fluggastrechteverordnung in Höhe von 600 Euro je Reisendem. In beiden Fällen streiten die Parteien darüber, ob diese Zahlungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Fluggastrechteverordnung auf die der Höhe nach niedrigeren Ersatzansprüche angerechnet werden dürfen, die die Kläger aufgrund des deutschen Reisevertrags- bzw. Personenbeförderungsrechts geltend machen.

Vorinstanzen entschieden auf Wahlrecht

Das Amtsgericht hatte die Ausgleichszahlungen angerechnet und die Klagen abgewiesen. Die dagegen eingelegten Berufungen hatten keinen Erfolg. Der Fluggast könne bei einer Beförderungsverweigerung oder einer erheblichen Flugverspätung wählen zwischen der Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung  und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach nationalem Recht, für die Schadenseintritt und -höhe konkret darzulegen seien. Die Ausgleichzahlungen nach der Fluggastrechteverordnung diene dabei dem Ausgleich für entstandene Unannehmlichkeiten und biete einen pauschalierten Ersatz für materielle und immatierielle Schäden. Beanspruche der Fluggast eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung, sei diese nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung auf Schadensersatzansprüche, die wegen dem selben Ereignis geltend gemacht werden, nach nationalem Recht anzurechnen, unabhängig davon, ob diese auf den Ersatz materieller oder immaterieller Schäden gerichtet seien.

Vorinstanz vom BGH bestätigt

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige zehnte Zivilsenat hat die Entscheidungen der Berufungsgerichte bestätigt und die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Die von den Klägern geltend gemachten Ersatzansprüche dienten der Kompensation von Beeinträchtigungen, welche durch Nicht- oder Schlechterfüllung der Luftbeförderungsverpflichtung entstanden sind, so die Karlsruher Richter. Unabhängig davon, ob diese in nutzlos gewordenen Aufwendungen, oder in Zusatzkosten für eine notwendig gewordene andere Hotelunterkunft bestehen, handele es sich bei den eingeklagten Ansprüchen um Ansprüche auf weitergehenden Schadensersatz. Auf diese Ansprüche könne nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO eine nach dieser Verordnung wegen Beförderungsverweigerung oder großer Verspätung gewährte Ausgleichszahlung angerechnet werden.